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Land: UK
Reisezeit: Juli - August 08
Region/Kontinent: Mitteleuropa
Tach erstmal
Ich hatte mich letztes Jahr im Mai oder so hier angemeldet und nach Infos über Schlafsäcke für unsere Schottlandtour im Juli gefragt. Dann hab ich mich .. tja, Monate nicht mehr gemeldet und jetz wo ich langsam unruhig werde und drüber nachdenke, wo wir dieses Jahr wandern wollen, kam mir die Idee, ich könnt doch mal meinen Reisebericht über unsere teilweise katastophale, aber heroische Tour hier posten
Jau, zu unserer Reise: mein Kerl Saph und ich, eigentlich eher PC-Nerds und bis auf ein paar Spaziergänge im Wald vorher eher ungeübt in allem, was wandern und trekken ist, kamen letztes Jahr auf die Idee, mal was völlig anderes und total geiles zu machen: eine Trekkingtour.
In Schottland war ich schon mal, mitm Auto von BnB zu BnB, ein ordentliches Zelt hatte ich auch - allerdings ein eher Schweres, weil mir beim Kauf eigentlich nur wichtig war, dass es komfortabel ist, es war eher für den Transport mit dem Auto gedacht als für den Rücken
Aber wat solls, man ist ja jung und motiviert und so, das passt schon.
Soviel zu unseren Vorbedingungen.
Mh, man sieht wohl schon, ich schreibe gerne. Hoffe dass der nachfolgende Bericht nicht zu ausführlich ist für die heutige schnelllebige Gesellschaft (und die Forenmoderatoren), aber ich habe mir Mühe damit gegeben ihn ansprechend zu schreiben, und hey, man sagte mir: er liest sich gut. Also in diesem Sinne viel .. Spaß und Durchhaltevermögen damit
Ich weiss, dass wir mangels Erfahrung einige vermutlich leichtsinnige und auch gefährliche Sachen gemacht haben und auch unser Equipment nicht 100%ig perfekt war.. beim nächsten Mal wollen wir es besser machen
So suchten wir uns also die nötige Ausrüstung zusammen. Ist beachtlich, an was man alles denken muss, von guten Wanderschuhen über Kompass, Klopapier, chemische Keimtötungsbrühe für gutes Wasser und jede Menge Fertigfutter in Pulverform musste alles besorgt werden, einschliesslich einem 65+10l Trekkingrucksack, der uns dann gute Dienste geleistet hat. Mehr als 15kg pro Person transportiert die Fluggesellschaft nicht ohne Aufpreis, und so kamen wir wegen Platz und Gewicht ein wenig in die Bredouille. Saphs 45l-Rucksack wurde bis zum Platzen vollgeladen und eine Matratze noch außen dran geschnallt. Letztendlich hatte tatsächlich jeder ca. 15kg auf dem Rücken. Plus noch Regenjacke, meine Handtasche, die nirgends mehr reinpasste und die wir noch mit Schottlandführern und lebensnotwendigem Futterzeugs vollstopften sowie mein schöner neuer Fotoapparat Fujifilm S6500FD, die wir die ganze Zeit noch am Körper trugen oder in Schottland am Rucksack festschnallten.
Über unsere Route hatten wir uns vorher nicht so richtig Gedanken gemacht - ich war auch irgendwie wegen anderer Sachen kurz vor dem Urlaub ziemlich abgelenkt. Jedenfalls ging unser Flug am 27.07.2008 nach Edinburgh. Wir haben uns überlegt, von Edinburgh mitm Bus nach Inverness zu fahren und von da aus nach Glen Affric zu laufen, wo es sehr schön sein soll. Daher buchte ich im Internet die 3,5-stündige Busfahrt nach Inverness. Weiter haben wir nicht geplant. Tatsächlich haben wir Glen Affric nie erreicht, hatten uns zwar in die Richtung auf den Weg gemacht, sind dann aber ganz woanders gelandet.
Und hier die Routenkarte, damit der verehrte Leser erkennen kann, wo sich zwei Amateurwanderer ohne Kondition, aber mit bravourösem Willen 2 Wochen lang in Schottland aufgehalten haben.
Und nun endlich, worauf jeder hier gewartet hat, mein Bericht über 2 Wochen wandern in Schottland, auf der Suche nach sich selbst und auf der Flucht vor den Midge-Schwärmen.
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Sonntag, 27.07.2008 - 1. Tag
Unser Flug ging um 9:50 von Düsseldorf-Weeze aus. Mit den jeweils knapp 15kg Gepäck auf dem Rücken waren wir unsportlichen Nerds schon gut bedient, oder um genauer zu sein: es war unerträglich >_>
Bis zur Landung in Edinburgh hatten wir allerdings eine Gnadenfrist, erst dort mussten wir uns mal richtig mit diesen fiesen Anhängseln auseinandersetzen und fingen an uns zu fragen, ob wir uns nicht zuviel zugemutet haben. 3 Schritte laufen, bisschen stöhnen und so schön und gut, aber KILOMETER? Huh. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, mit dem Rucksack durch den Boden zu brechen
Die erste lange Etappe (!) zu laufen waren ca 100m zum Edingburgh-Busshuttle. Zum Glück hatte der eine tolle Gepäckablage. So konnten wir uns wohlverdient ohne Gepäck in den Bus hängen und die Fahrt durch Edinburgh genießen. Wir waren durchaus positiv überrascht Bei meinem letzten Besuch muss ich wohl woanders reingekommen sein, hab jedenfalls eher Industrie und .. Hinterhof gesehen ^^ Das Wetter begrüßte uns zuerst schottisch-grau, wechselte dann aber immer mehr zu sonnig-blau bei angenehmen bisschen-über-20°. Weniger angenehm wieder die Rucksäcke, die uns die Erdadnziehungskraft kräftig spüren ließen.
Nachdem wir in Edinburgh, Waverly Bridge direkt am Zentrum ausgestiegen waren, konnte uns nichts und niemand vor dem Tragen der Rucksäcke beschützen und wir machten uns auf die lange Suche nach dem Heiligen Spiritus-Gral.
Für den Trangia-Spirituskocher haben wir jede Menge Trockenfutter (faktisch Suppen und Nudelzeugs) dabei. Das setzte aber genau zwei liquide Essenzen voraus: 1. Wasser und 2. Spiritus zum Kochen. Wir hatten nichts von beidem. Da wir davon ausgingen, dass Wasser in der zivilisierten Welt überall erhältlich ist im Gegensatz zu Brennspiritus, peilten wir zuerst einen Outdoorladen an, dessen Adresse ich zu Hause im Internet noch rausgefunden hatte. Um 14:35 sollte unser gebuchter Bus weiter nach Inverness gehen - genug Zeit also. Mit Hilfe von Stadtplan und Kompass (ja, echt ^^) navigierten wir uns schließlich zu dem Laden, nachdem wir erst einmal mit Tränen in den Augen wegen der Rucksäcke dran vorbei geächzt sind. Kühle Luft empfing uns und Gott.. - äh nein, ein Verkäufer - kam uns entgegen und empfahl uns, die unseligen Rucksäcke in einer Ecke zu deponieren, da der Spiritus "at top floor" im 4. Stock käuflich zu erwerben ist.
Um 3 Flaschen mit jeweils 0,5l Spiritus und eine Landrangermap 1:50 000 für Aviemore reicher verließen wir diesen Hort der Menschlichkeit wieder und wandten uns nun der Suche nach Wasser zu. Selbstverständlich findet sich in der Innenstadt von Edinburgh kein einziger Supermarkt, zumindest keiner, der für zwei leidende Rucksackträger erreichbar wäre, so mussten wir die ersten 2 Flaschen mit jeweils 1,5l zum Wucherpreis in einem Touristenabzockerladen kaufen. Aber so war wenigstens unser Bedarf an Wasser fürs Erste gedeckt. Natürlich war uns klar, dass 3l Wasser nicht sehr lang reichen, wenn man sie zum Trinken, Kochen, Waschen und Abwaschen benötigt, aber wir bauten darauf, dass wir bald "woanders" Wasser nachkaufen oder aus einem feinen Flusslauf schöpfen könnten.
Derart gesegnet mit optimistischen Gedanken quälten wir uns wenige 100m zum St. Andrews Square, um dort der baldigen Abfahrt des Buses nach Inverness zu harren.
Ging alles erstklassig - gut gebucht, Weib ^__^ und während der dreieinhalbstündigen Fahrt, die Saph halb verpennte, konnte ich ganz meinen glücklichen Gedanken nachhängen und mich an der schottischen Landschaft erfreuen. Das Wetter wandelte sich leider wieder gegenteilig in grau und etwas regnerisch, aber an der Stimmung tat das keinen Abbruch.
Nachdem wir schließlich in Inverness ankamen - kurz nach 6 abends - standen wir dann allerdings ein bisschen dumm da. Wir wussten die Richtung, in die wir wollten: über den "Great Glen Way" zum Städtchen Drumnadrochit am Loch Ness und von dort aus nach Glen Affric. Nur: es war nach 6 abends, wir waren müde vom Tag, hatten noch nichts gegessen und mussten noch ein gutes Stück aus der Stadt raus, damit wir außerhalb unser Zelt aufschlagen konnten.
Jeder Marathon beginnt mit dem ersten Schritt, also legten wir los. Der Rucksack drückte heftig auf die Schultern, der Rücken tat weh und die Anstrengung machte mir wirklich Kopfschmerzen. Hätte es vorher nicht für möglich gehalten, dachte, es wird ein bisschen weh tun vielleicht und eben anstrengend sein. Aber es tat RICHTIG weh. Konnte nur vornübergebeugt gehen und musste oft Pause machen. Saph ging es wohl ähnlich, nur dass er weniger jammerte ^^ Am River Ness, der uns aus der Stadt führen sollte, standen alle 100m Bänke, deren Sitzmöglichkeiten wir alle mitnehmen mussten, um jeweils ein paar Minuten zu rasten. Ja, der erste Kilometer auf dem Weg war der Schwerste. Trotzdem war die Stimmung gut
Wir stellten allerdings fest, dass unser Wasser nicht lang reichen würde - in Inverness hatten alle Läden schon geschlossen und aus dem großen River Ness wollten wir zuerst kein Wasser holen. Also fassten wir den Entschluss, das Wasser hartnäckig zu rationieren und bei der nächsten Möglichkeit aufzufüllen. Um das zu bekräftigen, schlug sich Saph seine Wasserflasche in die Faust, sie fiel runter und kullerte über die Böschung in den Fluss.
Fassungslos und mit offenem Mund starrte ich der Flasche nach. Saph dagegen, der dieses Verbrechen begangen hatte, ließ umgehend Rucksack, Jacken und meine Handtasche fallen und hechtete den Hang runter, der Flasche hinterher. Die hatte sich glücklicherweise in einem Ast verfangen und harrte ihrer Rettung, welche auch schon unterwegs war. Saph hatte Erfolg und konnte die Wasserflasche aus dem Wasser retten. Kichernd zog ich ihn die Böschung wieder hoch.
Der Weg führte durch schöne Parks am Fluss entlang, bis er schließlich einen Bogen machte und wir den Fluss hinter uns ließen. Wir hätten Wasser im Fluss auffüllen sollen, als es noch ging. Optimistisch wegen der Aussicht auf Spaghetti Napoli, sobald wir Wasser bekämen, liefen wir weiter, in den Sonnenuntergang hinein, und noch kein Platz zum Zeltaufschlagen in Sicht. Um es kurz zu machen: wir fanden kein Wasser, und für einen Zeltplatz hatten wir noch an die 3km vor uns. Der einzige mögliche Platz war von zwei anderen Typen und ihrem Zelt schon besetzt -.-
Verschwitzt, ausgekühlt und hungrig machten wir schließlich am Unterstand einer Bushaltestelle Halt und brieten uns eingeschweißte Fertig-Bratkartoffeln - das einzige Gericht, das wir ohne Wasser anfertigen konnten. Wir wollten das Wasser nicht verschwenden. Wegen Nebel und aufziehender Dunkelheit war es danach kaum noch möglich, was zu erkennen und wir schlugen schließlich gegen 23 Uhr unser Zelt auf einem schlammigen Acker neben einer Straße auf.
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Montag, 28.07.2008 - 2. Tag
Nachdem wir erstaunlich gut geschlafen hatten, hatte ein neuer nebliger Tag uns wieder. Recht zügig bauten wir unser Zelt wieder ab und verstauten das ganze Zeug. In der Nähe war ein Kirchturm zu sehen - wo es eine Kirche gibt, gibt es auch einen Laden und Wasser, ganz sicher ^_^ Also ließen wir unser Zeug mal zusammengepackt auf der Schlammwiese liegen und hielten auf den Kirchturm zu. Der Turm ragte über einige Dächer nicht weit entfernt heraus. Erst bemerkten wir eine Mauer, die den ganzen Ort umgab und dann, dass die Häuser keine Scheiben mehr hatten oder die Fenster gleich mit Holz vernagelt waren. Mh, naja, eine Art Geisterstadt. Ok, dann kein Wasser.
Zurück bei unseren Sachen gab es für jeden einen Schluck Wasser, wir hatten nur noch eine Flasche übrig, und Schokolade zum Frühstück. Nicht gewaschen, Zähne nicht geputzt, keinen Tee, kein Müsli. Ohne Wasser ist schon scheisse ^^
Aber wir waren optimistisch und gut gelaunt und machten und fröhlich auf den Weg einen schmalen Pfad durch den Wald. Den Berg hoch. Bald hatten wir schon einen guten Überblick über die seltsame Stadt, die wohl irgendwann mal eine Klapsmühle war. Wir mussten oft Pause machen und konnten dabei immer nur jeweils einen kleinen Schluck Wasser trinken. Ich fing an darüber nachzudenken, das Morgentau vom Gras zu schlürfen, soweit war ich aber dann doch noch nicht ^^
Oben am Berg schließlich kam wieder die Sonne raus. Regen hätte ich scheisse gefunden, die Sonne trieb uns aber weiter den Schweiß auf die Stirn, und nicht nur dahin. Wir waren sicher, dass wir bald einen Bach finden würden, aus dem wir Wasser schöpfen könnten. Trotzdem rationierten wir das Wasser weiter. Es ist wirklich ein bisschen beängstigend, wenn man vollgepackt mit Zeugs ist, "weit weg" von Zivilisation und das Wasser aus der einzigen Flasche zusehends schwindet..
Der Weg führte lange durch den Wald und öfters kamen uns dann andere Wanderer entgegen, die wohl früher aufgestanden waren als wir und Inverness schon bald erreichen würden. Oft ließen wir uns einfach auf den Waldweg fallen und machten Pause. Trotz dem fehlenden Wasser war es sehr schön dort, nicht zu warm oder zu kalt, sehr gute Luft, schönes Wetter und schöner Wald. Schön wars
Wir begannen, die Etappe bis zur nächsten Stadt genauer zu studieren. Laut unseren Karten war die nächste Stadt Drumnadrochit 30km von Inverness entfernt. Ca 10km von hier sollte es einen Ökocampingplatz geben. Aber 10 km.. Davon 6km auf einem Teerweg über kahle Hügel, der Sonne ausgesetzt. Ein wenig schockiert packten wir die Bücher wieder ein und machten uns auf den Weg. Der Durst begleitete uns und wurde größer.
Einige Kilometer ging es durch den Wald - kein Wasser, nirgends. Endlich ging es aus dem Wald raus und wir entdeckten neben dem Weg Wasserrinnsal. Ca 3cm hohes Wasser und es war grad noch erkennbar, dass es fließt und nicht steht.
Da unsere Flasche bis auf wenige Schlücke geleert war, machten wir den ersten Versuch mit unserer chemischen Keule, dem Keimtötungsmittel, mit dem man Wasser trinkbar machen kann. Mit der einen Flasche nahmen wir ein paar Schlücke Wasser auf, ließen sie durch Saphs Mütze in eine Schüssel laufen und füllten das Ganze dann in die leere Flasche. Gleich ein paar Antikeimtropfen hinterher, schütteln, den hässlichen Schaum und die gelbe Wasserfarbe ignorieren und 15 Minuten warten.
Das Pisswasser nahmen wir als eiserne Reserve mit. Die folgenden Kilometer wurden wirklich hart. Der Weg war staubig, die Sonne heiss und die Hügel um uns rum kahl und einsam. Wir schleppten uns durch den Staub, fantasierten von Wasser, Äpfeln, Pfirsichen und ... WATER TAP. Wir waren irgendwann auf ein Schild getroffen, "Water Tap 3.5 Miles" und daneben ein Wasserhahnsymbol. Unsere Oase ^^ Ich begann mir auszumalen, wie wir hinfallen, sterben und vertrocknen. Es war hart. WATER TAP ließ sich nicht blicken.
Als der Staubweg zum Teerweg wurde, fuhr alle halbe Stunde ein Auto an uns vorbei. Wir versuchten uns als Tramper, hatten aber Pech. Beim ersten und einzigen Haus, das wir sahen, wollten wir klingeln und nach Wasser fragen. Selbstbewusst gingen wir auf das Eingangstor zu. Dann bemerkten wir das Schild, das Leute wie uns darauf hinwies, dass es nicht möglich ist, hier Wasser aufzufüllen, da das Haus von einem unterirdischen Sammeldings oder so versorgt wird. Eigentlich hätten wir aus Trotz vor dem Schild verdursten sollen ;_;
Das Pisswasser half uns dann aber weiter, und endlich, als die Sonne sich schon langsam dem westlichen Horizont näherte, hörte ich es: das lang ersehnte Rauschen eines Baches. Yeah, strike
Leider war er durch einen Zaun von der Straße abgetrennt. Kein Hindernis für Saph, kurzerhand kletterte er rüber und füllte die Flaschen, während ich die Keimtropfen vorbereitete und damit 2 herrlich volle Flaschen Wasser chemisch flashte.
Wow, das Gefühl muss man sich vorstellen. 15 Minuten und einen halben Kilometer später stürzten wir uns auf das Wasser. Wegen des nicht grad angenehmen Geschmacks nach.. Chlor lösten wir Multivitamintabletten auf und tranken jeder 0,2l von dem herrlichen Gebräu. Mehr war erstmal nicht drin - wer weiß, wann es wieder Wasser gibt.
Lerneffekt des Tages: NIE WIEDER Wassermangel. Wir würden ab jetzt nur noch an Wasserläufen wandern, oder auf Routen, die definitiv an einem See oder größeren Bach vorbeikommen. Aber gut. Das Wasserproblem war vorerst gelöst, blieb nur noch das Müdigkeitsproblem. Der Sonnenuntergang war nahe, der Teerweg war zu beiden Seiten eingezäunt und daneben dichter Nadelwald. Schlecht zum Campen ^^ Uns tat alles weh und wir waren einfach am Ende mit den Kräften. Wir waren weit über 10km gelaufen an diesem Tag. Irgendwann fiel ich hin, blieb liegen und wollte nicht mehr weiter. Saph legte sich dazu und wir delirierten ein wenig vor uns hin. Bis uns einfiel, dass 10km die magische Zahl der Entfernung zum Ökocampingplatz war. Aufgeregt blätterte Saph in unserem Routenbuch, anhand von diversen Merkmalen stellten wir fest, dass es nur noch wenige 100m bis zum Paradies sein könne. Campingplatz, Wasser, Schlafplatz, Ruhe ^____^
Wir rafften uns auf und torkelten weiter. Tatsächlich tauchte bald darauf zwischen den Bäumen ein Schild auf, Campsite rechts. Unsere Laune stieg um 500% und wir schwenkten ein auf den schmalen Pfad, der zwischen Büschen und vereinzelten Bäumen in eine andere Welt führte. Eine Welt, wie wir sie noch nicht erlebt haben. Zuerst wand sich der Pfad immer weiter und die durch das Campsite-Schild mobilisierten Kräfte schwanden, so dass wir nach kurzer Zeit wieder am Boden lagen.
Dann tauchten links vom Weg alle 50m handbemalte bunte Schilder mit den himmlischen Texten "COFFEE", "SNACKS", "HOT CHOCOLATE", "TEA", "REFRESHMENTS" auf. Wir schleppten uns im Licht der untergehenden Sonne weiter durch die Heidelandschaft. Endlich, endlich erreichten wir ein natürliches Tor aus Zweigen und Bäumen, schritten hindurch und standen vor einem Lagerfeuer.
Ein .. seltsamer ... Typ saß am rauchenden, noch kleinen Feuer. Er trug blaue Stoffklamotten und hellbraune Lederstiefel, hatte einen dichten schwarzen langen Vollbart und entsprechend einen schwarzen Pferdeschwanz, in der Hand hatte er einen langen hölzernen Spieß, mit dem er ab und zu im Feuer stocherte und ihn sonst auf die Schulter legte. Seine Augen blickten irgendwie ein bisschen weggetreten, aber durchaus freundlich.
"Heeeey, what can I do for you?" fragte uns die Erscheinung. "Are you the owner of this campsite?" fragte ich. "Yeeeeaaaaah" kam die Antwort. "I am Rury". Eine leichte Alkoholfahne wehte uns entgegen, als er aufstand.
Was er für uns tun konnte, war schnell geklärt, wir gaben uns ja mit einem Platz zum Schlafen und Wasser zufrieden Das sowie ein Frühstück sollte uns 10 Pfund kosten. Rury führte uns einen Trampelpfad zwischen einigen Büschen hindurch zu einer freien Stelle in dem Gebüsch. Das war unser Platz, und Rury verließ uns mit den Worten, dass wir eingeladen sind, später an sein Feuer zu kommen. Und dass wir sagen sollen, wenn irgendwas ist. "I could be your grandfather and I am your grandfather for today."
Wir waren glücklich, überglücklich sogar. Ein paar Meter entfernt standen ein paar Wasserkanister mit gutem, klaren Wasser. Schnell war unser Zelt aufgebaut und wir begannen, endlich unsere ersehnten Spaghetti zu kochen. Eine Frau näherte sich unserer Behausung und meldete sich mit den Worten "knock knock! May I come in?". Sie hiess Sandra und war neben Rury die Besitzerin des Campinplatzes. Ein Aussteiger-Hippie-Paar, das hier in der Wildnis in einem Campingwagen und ein paar Baracken lebte. Sie lud uns auch nochmal ans Feuer ein, an dem sich jetzt neben Rury noch zwei Freunde von ihm aufhielten.
Nach dem Essen, als es schon dunkel war, kamen wir dann auch schließlich ans Feuer, obwohl mir mehr nach pennen zumute war. Andererseits kann man so eine Einladung ja nicht ablehnen, und diese Leute hatten wohl ne Menge Spaß am Feuer. Musikfetzen von "All summer long" klangen uns entgegen und es wurde mit Bier in der Hand gechillt. Rurys Freunde waren ein großer, rot- und langhaariger Kerl mit Kid-Rock-Hut, der so aussah wie man sich einen Schotten vorstellt - genannt Harry, sowie ein zweiter großer Mann, der mit seinen grauen, zum Pferdeschwanz gebundenen langen Haaren und dem olivgrünen Kilt und dazu wadenhohen schwarzen Arbeiterstiefeln noch schottischer aussah: Jimmy.
Wir gesellten uns ans Feuer, wärmten uns, Sandra machte ein wenig Smalltalk und ansonsten hörten wir den Schotten zu, die sich gechillt unterhielten und Bier tranken. Außer uns waren an diesem Abend keine Campingplatznutzer da. Schließlich stand Rury auf und schipperte zu uns rüber. Er goss Whisky in den Drehverschluss der Flasche, reichte ihn Saph, der den Schluck schnell runterspülte und sagte zu ihm "welcome to Scotland". Ich bekam den nächsten Schluck und die Flasche ging dann die Runde weiter, bei jedem einmal vorbei. Welcome to Scotland. So und unter diesen Umständen wird wohl nicht jeder in Schottland begrüßt. Ich war glücklich Kontakt zu echten Schotten, Whisky am Lagerfeuer Sandra erzählte, sie käme von den Northern Isles - also eine richtige Ureinwohnerin Schottlands, und bot uns Bier an.
Nachdem wir unser Bier geleert hatten, verzogen wir uns dann aber ins Zelt, nachdem Sandra uns nochmal daran erinnerte, dass wir um 9 zum Frühstück kommen sollen. Es war wohl auch schon gegen halb 12.
Nachts regnete es viel und hörte auch um kurz vor 9 morgens erst auf. Als wir aus dem Zelt krochen, umfing uns dichter Nebel.
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Dienstag, 29.07.2008 - 3. Tag
Wir stolperten über verschiedene schmale Pfade über Baumstümpfe hinweg in die Richtung, in die Sandra abends gedeutet hatte und schließlich tauchte aus dem Nebel ein Holzunterstand auf, dann ein Gehege mit mehreren großen Hunden und schließlich eine Baracke, halb an einen Wohnwagen gekoppelt. Sandra kam uns in Tarnhose entgegen und wies uns zu unserem Frühstücksplatz: 2 nasse Bänke und ein klappriger Tisch unter dem Unterstand, unter dem sich außerdem noch eine Kreissäge befand sowie einige der bemalten Holzschilder, die wir auf dem Weg zum Platz gesehen hatten, und noch weitere Gerätschaften. Hühner liefen uns um die Füße, als wir uns niederließen, und ein paar Nebelschwaden zogen zwischen uns durch. Es war unheimlich gemütlich.
Sandra brachte uns dann eine Kanne mit frisch gebrühtem Kaffee, selbstgemachte Marmelade und seeeehr leckeren Porridge. Selig genoss ich mein Frühstück
Nachdem wir unsere 10 Pfund - oder eher 9,10 Pfund + Euro mangels Pfund bezahlt haben, stapften wir durch den Nebel zurück zum durchweichten Zelt und fingen mit dem Abbruch an. Plötzlich hörten meine erfreuten Ohren einen Dudelsack zu uns rüberklingen. Jemand hatte angefangen, ein paar einsame Weisen zu spielen und derjenige begab sich offensichtlich auf eine Runde um den ganzen "Campingplatz". Ich war gerührt. Das war richtig schöne Musik - kein kommerzielles Gedudel der schottischen Nationalhymne von traditionell rausgeputzten Touristenfängern in Edinburgh, sondern wirklich schöne Musik. Gespielt am Stück und ohne Pause.
Ich war ganz durcheinander, Saph musste alleine abbauen, während ich der näherkommenden Musik lauschte. Man muss sich das auch ein bisschen unheimlich vorstellen. Im Nebel mitten in der Heide zwischen Büschen, und wunderschöne Musik, die durch den Nebel klingt.
Ich lief an den größten Trampelpfad dorthin, wohin die Musik sich bewegte und sah schließlich Jimmy, noch immer im Kilt, mit seinen Dudelsack näherkommen. Ohne ein Foto ging es nicht :/ Jimmy setzte seine langsame Runde fort, kam später wieder bei uns in der Nähe vorbei.
Sandra ließ sich auch nochmal blicken und knöpfte uns Kohle für das Bier vom Abend davor ab. Dachte zwar, dass das free war, aber irgendwie müssen sie ihr Leben ja finanzieren, und das alles war es mir wert ^^ Sie sagte noch, wenn wir Probleme haben, sollen wir sie anrufen, sie würden eine Menge Leute kennen, die helfen könnten.
Als wir mit dem Zelt fertig waren, war die Sonne rausgekommen und brachte uns um 12 mittags, als wir dem Campingplatz die Rucksäcke zukehrten, zum Schwitzen.
Aber wir waren hervorragend gelaunt. Diese Nacht hatte uns gutgetan, und als wir ausser Hörweite waren, sangen wir "Drunken Sailor" in der normalen Version und im Saltatio Mortis-Remix
Nachdem wir uns direkt nach dem Campingplatz 2x um einen knappen Kilometer verlaufen hatten, setzten wir schließlich in Ermangelung einer Alternative den Weg in die falsche Richtung fort, weg vom GGW, einen Teerweg entlang.
Wir waren klasse gelaunt, das Leben war schön Das Wetter hielt sich, die Gegend war aber eher unspektakulär und gegen halb 3 blitzte zum ersten Mal Loch Ness zwischen den Bäumen, weit vor - und einiges unter uns hindurch. Beschwingt hielten wir auf das Ziel zu. Wir wollten Drumnadrochit unbedingt erreichen, wussten aber nicht genau, wo wir uns befanden, nur dass wir irgendwo vor Drum am Loch Ness rauskommen würden.
Um kurz nach 3 machten wir Pause unter einigen Bäumen mit Blick auf den See. Dort hätten wir auch zelten können, nach kurzer Überlegung aber trieb uns die Aussicht auf einen Laden mit Pfirsichen in Drum weiter. Falsche Entscheidung, aber wer hätte es wissen können ^^
Es ging steil bergab zum See, unsere Füße taten weh vom "bremsen", die Knie wurden ebenso wackelig. Unten trafen wir dann schließlich auf die A82 - eine Schnellstraße direkt am See, ohne Fußgängerweg am Straßenrand. Nur so ein Schotterbett mit großen Steinen. Natürlich wenig schön, die Option wäre aber gewesen, wieder den ganzen Berg hoch zu laufen und woanders irgendwo einen Fußpfad zu suchen - keine attraktive Alternative. Da wird nicht zurückgewichen und so. Also an der Schnellstraße entlang. Nach einem Kilometer waren wir müde. Das Laufen auf den Steinen war anstrengend, die dicht vorbeirauschenden Autos auch. Nach zwei Kilometern waren wir uns einig, dass wir doch wieder zurück auf den Berg hätten gehen sollen. Nach drei Kilometern trafen wir um 6 Uhr auf ein großes Hotel, The Clansman. Fertig mit der Welt, verschwitzt und hungrig ging ich erst in den obligatorischen Touristenladen mit Plüschnessis und versuchte, am Geldautomat dort Geld zu ziehen, da wir kein bisschen Bargeld mehr hatten. Automat defekt. Schließlich fragte ich an der Rezeption, die gerade geschlossen hatte, ob ein Zimmer frei wäre - nein. Tja.
Das Hotel stand direkt an der A82, kein Fußgängerweg irgendwoanders hin. Also.. tief durchgeatmet und weiter. Langsam machte ich mir auch Sorgen um unseren Schlafplatz. Wasser hatten wir genug, aber wir waren so müde, es war schon nach 6 und eine Karte beim Clansman zeigte uns, dass wir noch einige Kilometer vor uns hätten bis Drumnadrochit. Drum war Saphs hartnäckiges Ziel, er trieb uns weiter in der Aussicht, dass wir dort sofort am Ziel sind, wenn wir ankommen. Ich selbst machte mir eher Sorgen. Mitten in einem Ort kann man nicht campen. Aber gut. Weiter. Mir taten nicht nur Füße, Knie und Schultern weh, sondern auch mein Herz machte irgendwelche komischen Sprünge. Jeder Herzschlag tat irgendwie weh, tief einatmen sowieso, und so schlich ich stöhnend hinter Saph her. Der aber schaffte es immer wieder, mich aufzuheitern und den Schmerz einigermaßen für einige Zeit zu vergessen und rumzualbern.
Gegen ca 8 sahen wir auch zum ersten Mal Castle Urquhart, eine beeindruckende Burgruine auf einer Halbinsel 2 km vor Drum. Bis Drum waren es auch noch ca 2km. Diese letzte Zeit war wirklich ein Horror. Noch immer auf der Schnellstraße gab es keine Möglichkeit, am Rand irgendwo zu zelten. Einen Kilometer vor Drum gab es immerhin einen Bürgersteig an der Straße, so dass wir nicht mehr am Rand auf dem Schotter laufen mussten.
Etwa um 9 trafen wir auf die ersten Häuser, das allererste sogar ein Bed & Breakfast. Hätte ich Geld gehabt, wäre das unser Ziel gewesen. So konnte ich mich nur irgendwo hinwerfen und ausruhen, während Saph allein die Gegend nach einem Zeltplatz abcheckte. Nichts - wie erwartet. Also weiter in die Stadt. Nach einem weiteren halben Kilometer tauchte ein Geldautomat auf, wo ich mir 70 Pfund rauszockte. Mit Geld ausgerüstet suchten wir uns natürlich den schnellsten Weg aus der Stadt raus Richtung Cannich, einerseits, weil wir dachten, dass wir noch an einigen B&Bs vorbeikommen (das wäre genau das Richtige gewesen an diesem Abend... Nur noch waschen und pennen), andererseits weil wir so schneller die Stadt hinter uns lassen würden, wegen einem Platz zum Campen. Die B&Bs waren entweder besetzt oder viel zu teuern, also weiter.
Einen Kilometer nach dem Geldautomat waren wir aus der Stadt raus und es fing an zu regnen. Nur leicht, aber es zog die Stimmung weiter runter. Von Rumalbern war inzwischen nichts mehr zu sehen. Wir gingen wirklich auf dem Zahnfleisch und das erste Mal machte ich mir Gedanken, dass es meine persönliche Hölle wäre, immer weiterlaufen zu müssen, wenn jeder Schritt schon eine Überwindung ist. Es wurde dämmrig. Kein B&B zu finden, und an den Straßenrändern entweder Viehweiden, Wald oder Privatgrundstück. Es wurde dunkel, Häuser gab es schon lange nicht mehr. Ich war drauf und dran, mich einfach nur noch in den Straßengraben zu legen. Saph ging einen Seitenweg der Straße nach oben und kam schließlich zurück und sagte, dass nur ein kleines Stück weiter oben an diesem Schotterweg ein freier Grasplatz wäre. Zwar Privatgrundstück - aber das war uns egal. Also hin, Zelt aufgebaut, nicht mal ausgezogen und in die Schlafsäcke. Es war 11 Uhr abends, wir waren 10 Stunden auf den Beinen - wohlgemerkt auf den Beinen mit Rucksack auf dem Rücken.
Reisezeit: Juli - August 08
Region/Kontinent: Mitteleuropa
Tach erstmal
Ich hatte mich letztes Jahr im Mai oder so hier angemeldet und nach Infos über Schlafsäcke für unsere Schottlandtour im Juli gefragt. Dann hab ich mich .. tja, Monate nicht mehr gemeldet und jetz wo ich langsam unruhig werde und drüber nachdenke, wo wir dieses Jahr wandern wollen, kam mir die Idee, ich könnt doch mal meinen Reisebericht über unsere teilweise katastophale, aber heroische Tour hier posten
Jau, zu unserer Reise: mein Kerl Saph und ich, eigentlich eher PC-Nerds und bis auf ein paar Spaziergänge im Wald vorher eher ungeübt in allem, was wandern und trekken ist, kamen letztes Jahr auf die Idee, mal was völlig anderes und total geiles zu machen: eine Trekkingtour.
In Schottland war ich schon mal, mitm Auto von BnB zu BnB, ein ordentliches Zelt hatte ich auch - allerdings ein eher Schweres, weil mir beim Kauf eigentlich nur wichtig war, dass es komfortabel ist, es war eher für den Transport mit dem Auto gedacht als für den Rücken
Aber wat solls, man ist ja jung und motiviert und so, das passt schon.
Soviel zu unseren Vorbedingungen.
Mh, man sieht wohl schon, ich schreibe gerne. Hoffe dass der nachfolgende Bericht nicht zu ausführlich ist für die heutige schnelllebige Gesellschaft (und die Forenmoderatoren), aber ich habe mir Mühe damit gegeben ihn ansprechend zu schreiben, und hey, man sagte mir: er liest sich gut. Also in diesem Sinne viel .. Spaß und Durchhaltevermögen damit
Ich weiss, dass wir mangels Erfahrung einige vermutlich leichtsinnige und auch gefährliche Sachen gemacht haben und auch unser Equipment nicht 100%ig perfekt war.. beim nächsten Mal wollen wir es besser machen
So suchten wir uns also die nötige Ausrüstung zusammen. Ist beachtlich, an was man alles denken muss, von guten Wanderschuhen über Kompass, Klopapier, chemische Keimtötungsbrühe für gutes Wasser und jede Menge Fertigfutter in Pulverform musste alles besorgt werden, einschliesslich einem 65+10l Trekkingrucksack, der uns dann gute Dienste geleistet hat. Mehr als 15kg pro Person transportiert die Fluggesellschaft nicht ohne Aufpreis, und so kamen wir wegen Platz und Gewicht ein wenig in die Bredouille. Saphs 45l-Rucksack wurde bis zum Platzen vollgeladen und eine Matratze noch außen dran geschnallt. Letztendlich hatte tatsächlich jeder ca. 15kg auf dem Rücken. Plus noch Regenjacke, meine Handtasche, die nirgends mehr reinpasste und die wir noch mit Schottlandführern und lebensnotwendigem Futterzeugs vollstopften sowie mein schöner neuer Fotoapparat Fujifilm S6500FD, die wir die ganze Zeit noch am Körper trugen oder in Schottland am Rucksack festschnallten.
Über unsere Route hatten wir uns vorher nicht so richtig Gedanken gemacht - ich war auch irgendwie wegen anderer Sachen kurz vor dem Urlaub ziemlich abgelenkt. Jedenfalls ging unser Flug am 27.07.2008 nach Edinburgh. Wir haben uns überlegt, von Edinburgh mitm Bus nach Inverness zu fahren und von da aus nach Glen Affric zu laufen, wo es sehr schön sein soll. Daher buchte ich im Internet die 3,5-stündige Busfahrt nach Inverness. Weiter haben wir nicht geplant. Tatsächlich haben wir Glen Affric nie erreicht, hatten uns zwar in die Richtung auf den Weg gemacht, sind dann aber ganz woanders gelandet.
Und hier die Routenkarte, damit der verehrte Leser erkennen kann, wo sich zwei Amateurwanderer ohne Kondition, aber mit bravourösem Willen 2 Wochen lang in Schottland aufgehalten haben.
Und nun endlich, worauf jeder hier gewartet hat, mein Bericht über 2 Wochen wandern in Schottland, auf der Suche nach sich selbst und auf der Flucht vor den Midge-Schwärmen.
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Sonntag, 27.07.2008 - 1. Tag
Unser Flug ging um 9:50 von Düsseldorf-Weeze aus. Mit den jeweils knapp 15kg Gepäck auf dem Rücken waren wir unsportlichen Nerds schon gut bedient, oder um genauer zu sein: es war unerträglich >_>
Bis zur Landung in Edinburgh hatten wir allerdings eine Gnadenfrist, erst dort mussten wir uns mal richtig mit diesen fiesen Anhängseln auseinandersetzen und fingen an uns zu fragen, ob wir uns nicht zuviel zugemutet haben. 3 Schritte laufen, bisschen stöhnen und so schön und gut, aber KILOMETER? Huh. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, mit dem Rucksack durch den Boden zu brechen
Die erste lange Etappe (!) zu laufen waren ca 100m zum Edingburgh-Busshuttle. Zum Glück hatte der eine tolle Gepäckablage. So konnten wir uns wohlverdient ohne Gepäck in den Bus hängen und die Fahrt durch Edinburgh genießen. Wir waren durchaus positiv überrascht Bei meinem letzten Besuch muss ich wohl woanders reingekommen sein, hab jedenfalls eher Industrie und .. Hinterhof gesehen ^^ Das Wetter begrüßte uns zuerst schottisch-grau, wechselte dann aber immer mehr zu sonnig-blau bei angenehmen bisschen-über-20°. Weniger angenehm wieder die Rucksäcke, die uns die Erdadnziehungskraft kräftig spüren ließen.
Nachdem wir in Edinburgh, Waverly Bridge direkt am Zentrum ausgestiegen waren, konnte uns nichts und niemand vor dem Tragen der Rucksäcke beschützen und wir machten uns auf die lange Suche nach dem Heiligen Spiritus-Gral.
Für den Trangia-Spirituskocher haben wir jede Menge Trockenfutter (faktisch Suppen und Nudelzeugs) dabei. Das setzte aber genau zwei liquide Essenzen voraus: 1. Wasser und 2. Spiritus zum Kochen. Wir hatten nichts von beidem. Da wir davon ausgingen, dass Wasser in der zivilisierten Welt überall erhältlich ist im Gegensatz zu Brennspiritus, peilten wir zuerst einen Outdoorladen an, dessen Adresse ich zu Hause im Internet noch rausgefunden hatte. Um 14:35 sollte unser gebuchter Bus weiter nach Inverness gehen - genug Zeit also. Mit Hilfe von Stadtplan und Kompass (ja, echt ^^) navigierten wir uns schließlich zu dem Laden, nachdem wir erst einmal mit Tränen in den Augen wegen der Rucksäcke dran vorbei geächzt sind. Kühle Luft empfing uns und Gott.. - äh nein, ein Verkäufer - kam uns entgegen und empfahl uns, die unseligen Rucksäcke in einer Ecke zu deponieren, da der Spiritus "at top floor" im 4. Stock käuflich zu erwerben ist.
Um 3 Flaschen mit jeweils 0,5l Spiritus und eine Landrangermap 1:50 000 für Aviemore reicher verließen wir diesen Hort der Menschlichkeit wieder und wandten uns nun der Suche nach Wasser zu. Selbstverständlich findet sich in der Innenstadt von Edinburgh kein einziger Supermarkt, zumindest keiner, der für zwei leidende Rucksackträger erreichbar wäre, so mussten wir die ersten 2 Flaschen mit jeweils 1,5l zum Wucherpreis in einem Touristenabzockerladen kaufen. Aber so war wenigstens unser Bedarf an Wasser fürs Erste gedeckt. Natürlich war uns klar, dass 3l Wasser nicht sehr lang reichen, wenn man sie zum Trinken, Kochen, Waschen und Abwaschen benötigt, aber wir bauten darauf, dass wir bald "woanders" Wasser nachkaufen oder aus einem feinen Flusslauf schöpfen könnten.
Derart gesegnet mit optimistischen Gedanken quälten wir uns wenige 100m zum St. Andrews Square, um dort der baldigen Abfahrt des Buses nach Inverness zu harren.
Ging alles erstklassig - gut gebucht, Weib ^__^ und während der dreieinhalbstündigen Fahrt, die Saph halb verpennte, konnte ich ganz meinen glücklichen Gedanken nachhängen und mich an der schottischen Landschaft erfreuen. Das Wetter wandelte sich leider wieder gegenteilig in grau und etwas regnerisch, aber an der Stimmung tat das keinen Abbruch.
Nachdem wir schließlich in Inverness ankamen - kurz nach 6 abends - standen wir dann allerdings ein bisschen dumm da. Wir wussten die Richtung, in die wir wollten: über den "Great Glen Way" zum Städtchen Drumnadrochit am Loch Ness und von dort aus nach Glen Affric. Nur: es war nach 6 abends, wir waren müde vom Tag, hatten noch nichts gegessen und mussten noch ein gutes Stück aus der Stadt raus, damit wir außerhalb unser Zelt aufschlagen konnten.
Jeder Marathon beginnt mit dem ersten Schritt, also legten wir los. Der Rucksack drückte heftig auf die Schultern, der Rücken tat weh und die Anstrengung machte mir wirklich Kopfschmerzen. Hätte es vorher nicht für möglich gehalten, dachte, es wird ein bisschen weh tun vielleicht und eben anstrengend sein. Aber es tat RICHTIG weh. Konnte nur vornübergebeugt gehen und musste oft Pause machen. Saph ging es wohl ähnlich, nur dass er weniger jammerte ^^ Am River Ness, der uns aus der Stadt führen sollte, standen alle 100m Bänke, deren Sitzmöglichkeiten wir alle mitnehmen mussten, um jeweils ein paar Minuten zu rasten. Ja, der erste Kilometer auf dem Weg war der Schwerste. Trotzdem war die Stimmung gut
Wir stellten allerdings fest, dass unser Wasser nicht lang reichen würde - in Inverness hatten alle Läden schon geschlossen und aus dem großen River Ness wollten wir zuerst kein Wasser holen. Also fassten wir den Entschluss, das Wasser hartnäckig zu rationieren und bei der nächsten Möglichkeit aufzufüllen. Um das zu bekräftigen, schlug sich Saph seine Wasserflasche in die Faust, sie fiel runter und kullerte über die Böschung in den Fluss.
Fassungslos und mit offenem Mund starrte ich der Flasche nach. Saph dagegen, der dieses Verbrechen begangen hatte, ließ umgehend Rucksack, Jacken und meine Handtasche fallen und hechtete den Hang runter, der Flasche hinterher. Die hatte sich glücklicherweise in einem Ast verfangen und harrte ihrer Rettung, welche auch schon unterwegs war. Saph hatte Erfolg und konnte die Wasserflasche aus dem Wasser retten. Kichernd zog ich ihn die Böschung wieder hoch.
Der Weg führte durch schöne Parks am Fluss entlang, bis er schließlich einen Bogen machte und wir den Fluss hinter uns ließen. Wir hätten Wasser im Fluss auffüllen sollen, als es noch ging. Optimistisch wegen der Aussicht auf Spaghetti Napoli, sobald wir Wasser bekämen, liefen wir weiter, in den Sonnenuntergang hinein, und noch kein Platz zum Zeltaufschlagen in Sicht. Um es kurz zu machen: wir fanden kein Wasser, und für einen Zeltplatz hatten wir noch an die 3km vor uns. Der einzige mögliche Platz war von zwei anderen Typen und ihrem Zelt schon besetzt -.-
Verschwitzt, ausgekühlt und hungrig machten wir schließlich am Unterstand einer Bushaltestelle Halt und brieten uns eingeschweißte Fertig-Bratkartoffeln - das einzige Gericht, das wir ohne Wasser anfertigen konnten. Wir wollten das Wasser nicht verschwenden. Wegen Nebel und aufziehender Dunkelheit war es danach kaum noch möglich, was zu erkennen und wir schlugen schließlich gegen 23 Uhr unser Zelt auf einem schlammigen Acker neben einer Straße auf.
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Montag, 28.07.2008 - 2. Tag
Nachdem wir erstaunlich gut geschlafen hatten, hatte ein neuer nebliger Tag uns wieder. Recht zügig bauten wir unser Zelt wieder ab und verstauten das ganze Zeug. In der Nähe war ein Kirchturm zu sehen - wo es eine Kirche gibt, gibt es auch einen Laden und Wasser, ganz sicher ^_^ Also ließen wir unser Zeug mal zusammengepackt auf der Schlammwiese liegen und hielten auf den Kirchturm zu. Der Turm ragte über einige Dächer nicht weit entfernt heraus. Erst bemerkten wir eine Mauer, die den ganzen Ort umgab und dann, dass die Häuser keine Scheiben mehr hatten oder die Fenster gleich mit Holz vernagelt waren. Mh, naja, eine Art Geisterstadt. Ok, dann kein Wasser.
Zurück bei unseren Sachen gab es für jeden einen Schluck Wasser, wir hatten nur noch eine Flasche übrig, und Schokolade zum Frühstück. Nicht gewaschen, Zähne nicht geputzt, keinen Tee, kein Müsli. Ohne Wasser ist schon scheisse ^^
Aber wir waren optimistisch und gut gelaunt und machten und fröhlich auf den Weg einen schmalen Pfad durch den Wald. Den Berg hoch. Bald hatten wir schon einen guten Überblick über die seltsame Stadt, die wohl irgendwann mal eine Klapsmühle war. Wir mussten oft Pause machen und konnten dabei immer nur jeweils einen kleinen Schluck Wasser trinken. Ich fing an darüber nachzudenken, das Morgentau vom Gras zu schlürfen, soweit war ich aber dann doch noch nicht ^^
Oben am Berg schließlich kam wieder die Sonne raus. Regen hätte ich scheisse gefunden, die Sonne trieb uns aber weiter den Schweiß auf die Stirn, und nicht nur dahin. Wir waren sicher, dass wir bald einen Bach finden würden, aus dem wir Wasser schöpfen könnten. Trotzdem rationierten wir das Wasser weiter. Es ist wirklich ein bisschen beängstigend, wenn man vollgepackt mit Zeugs ist, "weit weg" von Zivilisation und das Wasser aus der einzigen Flasche zusehends schwindet..
Der Weg führte lange durch den Wald und öfters kamen uns dann andere Wanderer entgegen, die wohl früher aufgestanden waren als wir und Inverness schon bald erreichen würden. Oft ließen wir uns einfach auf den Waldweg fallen und machten Pause. Trotz dem fehlenden Wasser war es sehr schön dort, nicht zu warm oder zu kalt, sehr gute Luft, schönes Wetter und schöner Wald. Schön wars
Wir begannen, die Etappe bis zur nächsten Stadt genauer zu studieren. Laut unseren Karten war die nächste Stadt Drumnadrochit 30km von Inverness entfernt. Ca 10km von hier sollte es einen Ökocampingplatz geben. Aber 10 km.. Davon 6km auf einem Teerweg über kahle Hügel, der Sonne ausgesetzt. Ein wenig schockiert packten wir die Bücher wieder ein und machten uns auf den Weg. Der Durst begleitete uns und wurde größer.
Einige Kilometer ging es durch den Wald - kein Wasser, nirgends. Endlich ging es aus dem Wald raus und wir entdeckten neben dem Weg Wasserrinnsal. Ca 3cm hohes Wasser und es war grad noch erkennbar, dass es fließt und nicht steht.
Da unsere Flasche bis auf wenige Schlücke geleert war, machten wir den ersten Versuch mit unserer chemischen Keule, dem Keimtötungsmittel, mit dem man Wasser trinkbar machen kann. Mit der einen Flasche nahmen wir ein paar Schlücke Wasser auf, ließen sie durch Saphs Mütze in eine Schüssel laufen und füllten das Ganze dann in die leere Flasche. Gleich ein paar Antikeimtropfen hinterher, schütteln, den hässlichen Schaum und die gelbe Wasserfarbe ignorieren und 15 Minuten warten.
Das Pisswasser nahmen wir als eiserne Reserve mit. Die folgenden Kilometer wurden wirklich hart. Der Weg war staubig, die Sonne heiss und die Hügel um uns rum kahl und einsam. Wir schleppten uns durch den Staub, fantasierten von Wasser, Äpfeln, Pfirsichen und ... WATER TAP. Wir waren irgendwann auf ein Schild getroffen, "Water Tap 3.5 Miles" und daneben ein Wasserhahnsymbol. Unsere Oase ^^ Ich begann mir auszumalen, wie wir hinfallen, sterben und vertrocknen. Es war hart. WATER TAP ließ sich nicht blicken.
Als der Staubweg zum Teerweg wurde, fuhr alle halbe Stunde ein Auto an uns vorbei. Wir versuchten uns als Tramper, hatten aber Pech. Beim ersten und einzigen Haus, das wir sahen, wollten wir klingeln und nach Wasser fragen. Selbstbewusst gingen wir auf das Eingangstor zu. Dann bemerkten wir das Schild, das Leute wie uns darauf hinwies, dass es nicht möglich ist, hier Wasser aufzufüllen, da das Haus von einem unterirdischen Sammeldings oder so versorgt wird. Eigentlich hätten wir aus Trotz vor dem Schild verdursten sollen ;_;
Das Pisswasser half uns dann aber weiter, und endlich, als die Sonne sich schon langsam dem westlichen Horizont näherte, hörte ich es: das lang ersehnte Rauschen eines Baches. Yeah, strike
Leider war er durch einen Zaun von der Straße abgetrennt. Kein Hindernis für Saph, kurzerhand kletterte er rüber und füllte die Flaschen, während ich die Keimtropfen vorbereitete und damit 2 herrlich volle Flaschen Wasser chemisch flashte.
Wow, das Gefühl muss man sich vorstellen. 15 Minuten und einen halben Kilometer später stürzten wir uns auf das Wasser. Wegen des nicht grad angenehmen Geschmacks nach.. Chlor lösten wir Multivitamintabletten auf und tranken jeder 0,2l von dem herrlichen Gebräu. Mehr war erstmal nicht drin - wer weiß, wann es wieder Wasser gibt.
Lerneffekt des Tages: NIE WIEDER Wassermangel. Wir würden ab jetzt nur noch an Wasserläufen wandern, oder auf Routen, die definitiv an einem See oder größeren Bach vorbeikommen. Aber gut. Das Wasserproblem war vorerst gelöst, blieb nur noch das Müdigkeitsproblem. Der Sonnenuntergang war nahe, der Teerweg war zu beiden Seiten eingezäunt und daneben dichter Nadelwald. Schlecht zum Campen ^^ Uns tat alles weh und wir waren einfach am Ende mit den Kräften. Wir waren weit über 10km gelaufen an diesem Tag. Irgendwann fiel ich hin, blieb liegen und wollte nicht mehr weiter. Saph legte sich dazu und wir delirierten ein wenig vor uns hin. Bis uns einfiel, dass 10km die magische Zahl der Entfernung zum Ökocampingplatz war. Aufgeregt blätterte Saph in unserem Routenbuch, anhand von diversen Merkmalen stellten wir fest, dass es nur noch wenige 100m bis zum Paradies sein könne. Campingplatz, Wasser, Schlafplatz, Ruhe ^____^
Wir rafften uns auf und torkelten weiter. Tatsächlich tauchte bald darauf zwischen den Bäumen ein Schild auf, Campsite rechts. Unsere Laune stieg um 500% und wir schwenkten ein auf den schmalen Pfad, der zwischen Büschen und vereinzelten Bäumen in eine andere Welt führte. Eine Welt, wie wir sie noch nicht erlebt haben. Zuerst wand sich der Pfad immer weiter und die durch das Campsite-Schild mobilisierten Kräfte schwanden, so dass wir nach kurzer Zeit wieder am Boden lagen.
Dann tauchten links vom Weg alle 50m handbemalte bunte Schilder mit den himmlischen Texten "COFFEE", "SNACKS", "HOT CHOCOLATE", "TEA", "REFRESHMENTS" auf. Wir schleppten uns im Licht der untergehenden Sonne weiter durch die Heidelandschaft. Endlich, endlich erreichten wir ein natürliches Tor aus Zweigen und Bäumen, schritten hindurch und standen vor einem Lagerfeuer.
Ein .. seltsamer ... Typ saß am rauchenden, noch kleinen Feuer. Er trug blaue Stoffklamotten und hellbraune Lederstiefel, hatte einen dichten schwarzen langen Vollbart und entsprechend einen schwarzen Pferdeschwanz, in der Hand hatte er einen langen hölzernen Spieß, mit dem er ab und zu im Feuer stocherte und ihn sonst auf die Schulter legte. Seine Augen blickten irgendwie ein bisschen weggetreten, aber durchaus freundlich.
"Heeeey, what can I do for you?" fragte uns die Erscheinung. "Are you the owner of this campsite?" fragte ich. "Yeeeeaaaaah" kam die Antwort. "I am Rury". Eine leichte Alkoholfahne wehte uns entgegen, als er aufstand.
Was er für uns tun konnte, war schnell geklärt, wir gaben uns ja mit einem Platz zum Schlafen und Wasser zufrieden Das sowie ein Frühstück sollte uns 10 Pfund kosten. Rury führte uns einen Trampelpfad zwischen einigen Büschen hindurch zu einer freien Stelle in dem Gebüsch. Das war unser Platz, und Rury verließ uns mit den Worten, dass wir eingeladen sind, später an sein Feuer zu kommen. Und dass wir sagen sollen, wenn irgendwas ist. "I could be your grandfather and I am your grandfather for today."
Wir waren glücklich, überglücklich sogar. Ein paar Meter entfernt standen ein paar Wasserkanister mit gutem, klaren Wasser. Schnell war unser Zelt aufgebaut und wir begannen, endlich unsere ersehnten Spaghetti zu kochen. Eine Frau näherte sich unserer Behausung und meldete sich mit den Worten "knock knock! May I come in?". Sie hiess Sandra und war neben Rury die Besitzerin des Campinplatzes. Ein Aussteiger-Hippie-Paar, das hier in der Wildnis in einem Campingwagen und ein paar Baracken lebte. Sie lud uns auch nochmal ans Feuer ein, an dem sich jetzt neben Rury noch zwei Freunde von ihm aufhielten.
Nach dem Essen, als es schon dunkel war, kamen wir dann auch schließlich ans Feuer, obwohl mir mehr nach pennen zumute war. Andererseits kann man so eine Einladung ja nicht ablehnen, und diese Leute hatten wohl ne Menge Spaß am Feuer. Musikfetzen von "All summer long" klangen uns entgegen und es wurde mit Bier in der Hand gechillt. Rurys Freunde waren ein großer, rot- und langhaariger Kerl mit Kid-Rock-Hut, der so aussah wie man sich einen Schotten vorstellt - genannt Harry, sowie ein zweiter großer Mann, der mit seinen grauen, zum Pferdeschwanz gebundenen langen Haaren und dem olivgrünen Kilt und dazu wadenhohen schwarzen Arbeiterstiefeln noch schottischer aussah: Jimmy.
Wir gesellten uns ans Feuer, wärmten uns, Sandra machte ein wenig Smalltalk und ansonsten hörten wir den Schotten zu, die sich gechillt unterhielten und Bier tranken. Außer uns waren an diesem Abend keine Campingplatznutzer da. Schließlich stand Rury auf und schipperte zu uns rüber. Er goss Whisky in den Drehverschluss der Flasche, reichte ihn Saph, der den Schluck schnell runterspülte und sagte zu ihm "welcome to Scotland". Ich bekam den nächsten Schluck und die Flasche ging dann die Runde weiter, bei jedem einmal vorbei. Welcome to Scotland. So und unter diesen Umständen wird wohl nicht jeder in Schottland begrüßt. Ich war glücklich Kontakt zu echten Schotten, Whisky am Lagerfeuer Sandra erzählte, sie käme von den Northern Isles - also eine richtige Ureinwohnerin Schottlands, und bot uns Bier an.
Nachdem wir unser Bier geleert hatten, verzogen wir uns dann aber ins Zelt, nachdem Sandra uns nochmal daran erinnerte, dass wir um 9 zum Frühstück kommen sollen. Es war wohl auch schon gegen halb 12.
Nachts regnete es viel und hörte auch um kurz vor 9 morgens erst auf. Als wir aus dem Zelt krochen, umfing uns dichter Nebel.
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Dienstag, 29.07.2008 - 3. Tag
Wir stolperten über verschiedene schmale Pfade über Baumstümpfe hinweg in die Richtung, in die Sandra abends gedeutet hatte und schließlich tauchte aus dem Nebel ein Holzunterstand auf, dann ein Gehege mit mehreren großen Hunden und schließlich eine Baracke, halb an einen Wohnwagen gekoppelt. Sandra kam uns in Tarnhose entgegen und wies uns zu unserem Frühstücksplatz: 2 nasse Bänke und ein klappriger Tisch unter dem Unterstand, unter dem sich außerdem noch eine Kreissäge befand sowie einige der bemalten Holzschilder, die wir auf dem Weg zum Platz gesehen hatten, und noch weitere Gerätschaften. Hühner liefen uns um die Füße, als wir uns niederließen, und ein paar Nebelschwaden zogen zwischen uns durch. Es war unheimlich gemütlich.
Sandra brachte uns dann eine Kanne mit frisch gebrühtem Kaffee, selbstgemachte Marmelade und seeeehr leckeren Porridge. Selig genoss ich mein Frühstück
Nachdem wir unsere 10 Pfund - oder eher 9,10 Pfund + Euro mangels Pfund bezahlt haben, stapften wir durch den Nebel zurück zum durchweichten Zelt und fingen mit dem Abbruch an. Plötzlich hörten meine erfreuten Ohren einen Dudelsack zu uns rüberklingen. Jemand hatte angefangen, ein paar einsame Weisen zu spielen und derjenige begab sich offensichtlich auf eine Runde um den ganzen "Campingplatz". Ich war gerührt. Das war richtig schöne Musik - kein kommerzielles Gedudel der schottischen Nationalhymne von traditionell rausgeputzten Touristenfängern in Edinburgh, sondern wirklich schöne Musik. Gespielt am Stück und ohne Pause.
Ich war ganz durcheinander, Saph musste alleine abbauen, während ich der näherkommenden Musik lauschte. Man muss sich das auch ein bisschen unheimlich vorstellen. Im Nebel mitten in der Heide zwischen Büschen, und wunderschöne Musik, die durch den Nebel klingt.
Ich lief an den größten Trampelpfad dorthin, wohin die Musik sich bewegte und sah schließlich Jimmy, noch immer im Kilt, mit seinen Dudelsack näherkommen. Ohne ein Foto ging es nicht :/ Jimmy setzte seine langsame Runde fort, kam später wieder bei uns in der Nähe vorbei.
Sandra ließ sich auch nochmal blicken und knöpfte uns Kohle für das Bier vom Abend davor ab. Dachte zwar, dass das free war, aber irgendwie müssen sie ihr Leben ja finanzieren, und das alles war es mir wert ^^ Sie sagte noch, wenn wir Probleme haben, sollen wir sie anrufen, sie würden eine Menge Leute kennen, die helfen könnten.
Als wir mit dem Zelt fertig waren, war die Sonne rausgekommen und brachte uns um 12 mittags, als wir dem Campingplatz die Rucksäcke zukehrten, zum Schwitzen.
Aber wir waren hervorragend gelaunt. Diese Nacht hatte uns gutgetan, und als wir ausser Hörweite waren, sangen wir "Drunken Sailor" in der normalen Version und im Saltatio Mortis-Remix
Nachdem wir uns direkt nach dem Campingplatz 2x um einen knappen Kilometer verlaufen hatten, setzten wir schließlich in Ermangelung einer Alternative den Weg in die falsche Richtung fort, weg vom GGW, einen Teerweg entlang.
Wir waren klasse gelaunt, das Leben war schön Das Wetter hielt sich, die Gegend war aber eher unspektakulär und gegen halb 3 blitzte zum ersten Mal Loch Ness zwischen den Bäumen, weit vor - und einiges unter uns hindurch. Beschwingt hielten wir auf das Ziel zu. Wir wollten Drumnadrochit unbedingt erreichen, wussten aber nicht genau, wo wir uns befanden, nur dass wir irgendwo vor Drum am Loch Ness rauskommen würden.
Um kurz nach 3 machten wir Pause unter einigen Bäumen mit Blick auf den See. Dort hätten wir auch zelten können, nach kurzer Überlegung aber trieb uns die Aussicht auf einen Laden mit Pfirsichen in Drum weiter. Falsche Entscheidung, aber wer hätte es wissen können ^^
Es ging steil bergab zum See, unsere Füße taten weh vom "bremsen", die Knie wurden ebenso wackelig. Unten trafen wir dann schließlich auf die A82 - eine Schnellstraße direkt am See, ohne Fußgängerweg am Straßenrand. Nur so ein Schotterbett mit großen Steinen. Natürlich wenig schön, die Option wäre aber gewesen, wieder den ganzen Berg hoch zu laufen und woanders irgendwo einen Fußpfad zu suchen - keine attraktive Alternative. Da wird nicht zurückgewichen und so. Also an der Schnellstraße entlang. Nach einem Kilometer waren wir müde. Das Laufen auf den Steinen war anstrengend, die dicht vorbeirauschenden Autos auch. Nach zwei Kilometern waren wir uns einig, dass wir doch wieder zurück auf den Berg hätten gehen sollen. Nach drei Kilometern trafen wir um 6 Uhr auf ein großes Hotel, The Clansman. Fertig mit der Welt, verschwitzt und hungrig ging ich erst in den obligatorischen Touristenladen mit Plüschnessis und versuchte, am Geldautomat dort Geld zu ziehen, da wir kein bisschen Bargeld mehr hatten. Automat defekt. Schließlich fragte ich an der Rezeption, die gerade geschlossen hatte, ob ein Zimmer frei wäre - nein. Tja.
Das Hotel stand direkt an der A82, kein Fußgängerweg irgendwoanders hin. Also.. tief durchgeatmet und weiter. Langsam machte ich mir auch Sorgen um unseren Schlafplatz. Wasser hatten wir genug, aber wir waren so müde, es war schon nach 6 und eine Karte beim Clansman zeigte uns, dass wir noch einige Kilometer vor uns hätten bis Drumnadrochit. Drum war Saphs hartnäckiges Ziel, er trieb uns weiter in der Aussicht, dass wir dort sofort am Ziel sind, wenn wir ankommen. Ich selbst machte mir eher Sorgen. Mitten in einem Ort kann man nicht campen. Aber gut. Weiter. Mir taten nicht nur Füße, Knie und Schultern weh, sondern auch mein Herz machte irgendwelche komischen Sprünge. Jeder Herzschlag tat irgendwie weh, tief einatmen sowieso, und so schlich ich stöhnend hinter Saph her. Der aber schaffte es immer wieder, mich aufzuheitern und den Schmerz einigermaßen für einige Zeit zu vergessen und rumzualbern.
Gegen ca 8 sahen wir auch zum ersten Mal Castle Urquhart, eine beeindruckende Burgruine auf einer Halbinsel 2 km vor Drum. Bis Drum waren es auch noch ca 2km. Diese letzte Zeit war wirklich ein Horror. Noch immer auf der Schnellstraße gab es keine Möglichkeit, am Rand irgendwo zu zelten. Einen Kilometer vor Drum gab es immerhin einen Bürgersteig an der Straße, so dass wir nicht mehr am Rand auf dem Schotter laufen mussten.
Etwa um 9 trafen wir auf die ersten Häuser, das allererste sogar ein Bed & Breakfast. Hätte ich Geld gehabt, wäre das unser Ziel gewesen. So konnte ich mich nur irgendwo hinwerfen und ausruhen, während Saph allein die Gegend nach einem Zeltplatz abcheckte. Nichts - wie erwartet. Also weiter in die Stadt. Nach einem weiteren halben Kilometer tauchte ein Geldautomat auf, wo ich mir 70 Pfund rauszockte. Mit Geld ausgerüstet suchten wir uns natürlich den schnellsten Weg aus der Stadt raus Richtung Cannich, einerseits, weil wir dachten, dass wir noch an einigen B&Bs vorbeikommen (das wäre genau das Richtige gewesen an diesem Abend... Nur noch waschen und pennen), andererseits weil wir so schneller die Stadt hinter uns lassen würden, wegen einem Platz zum Campen. Die B&Bs waren entweder besetzt oder viel zu teuern, also weiter.
Einen Kilometer nach dem Geldautomat waren wir aus der Stadt raus und es fing an zu regnen. Nur leicht, aber es zog die Stimmung weiter runter. Von Rumalbern war inzwischen nichts mehr zu sehen. Wir gingen wirklich auf dem Zahnfleisch und das erste Mal machte ich mir Gedanken, dass es meine persönliche Hölle wäre, immer weiterlaufen zu müssen, wenn jeder Schritt schon eine Überwindung ist. Es wurde dämmrig. Kein B&B zu finden, und an den Straßenrändern entweder Viehweiden, Wald oder Privatgrundstück. Es wurde dunkel, Häuser gab es schon lange nicht mehr. Ich war drauf und dran, mich einfach nur noch in den Straßengraben zu legen. Saph ging einen Seitenweg der Straße nach oben und kam schließlich zurück und sagte, dass nur ein kleines Stück weiter oben an diesem Schotterweg ein freier Grasplatz wäre. Zwar Privatgrundstück - aber das war uns egal. Also hin, Zelt aufgebaut, nicht mal ausgezogen und in die Schlafsäcke. Es war 11 Uhr abends, wir waren 10 Stunden auf den Beinen - wohlgemerkt auf den Beinen mit Rucksack auf dem Rücken.
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